Marktlage und Qualität

Liebe auf den ersten Blick geht selten gut. Dem Kribbeln im Bauch folgt manchmal schnell die Ernüchterung des Alltags. Diese Lebensweisheit gilt für Partner- und Autowahl gleichermaßen.

Was haben wir vor sechs Jahren nicht über den Rover 75 gestaunt. Welch elegante Linie, britische Gene – und all das mit dem Segen der vertrauenswürdigen Marke BMW. Und dann? Dann verkauften die Münchner ihre verlustreiche Tochter wieder, und der Seventy-five (Rover-Fahrer sagen niemals "Fünfundsiebzig") wurde zum Ladenhüter.

Die beliebteste Leserfrage dieser Tage: "Wie lange gibt es noch Ersatzteile?" Die Situation ist mittlerweile entschärft, doch Materialbedarf ist dennoch gegeben. Kaum war die bayerisch-britische Ehe geschieden, wurden offensichtlich sämtliche guten Qualitätsvorsätze über Bord geworfen.

Teilweise meldeten uns Leser Mängel und Defekte, von denen wir dachten, sie wären längst ausgerottet. Aufgrund einer chemischen Reaktion werden beige Türverkleidungen fleckig. Türfangbänder lockern sich von selbst und rosten in Rekordzeit. Und auch Wassereinbrüche in Koffer- und Innenraum sind keinesfalls Ausnahmeerscheinungen.

Technik und Motor

Nicht nur Retro-Romantiker erinnert der 75 an alte Jaguar, auch Kummerkasten-Redakteur Stefan Szych bekommt beim Thema Rover 75 plötzlich Falten wie die Queen. Verstehen Sie uns nicht falsch, wir wollen nicht generell vom 75 abraten. Doch zu den Rover-Problemen kommen leider auch noch typische BMW-Krankheiten. Denn wegen lästiger Vibrationen am Lenkrad und Problemen mit der Vorderachse ist dieser Brite ein typischer Bayer. Und dass auf zahlreichen Kunststoff-Kleinteilen das BMW-Zeichen eingegossen ist, macht die Sache nicht viel besser.

Doch der 75 sammelt auch Pluspunkte. Etwa beim Preis. Kostet ein BMW 323i mit 170 PS aus dem Baujahr 1998 laut Liste 14.150 Euro (Händlerverkauf), gibt es den sieben PS stärkeren Rover 75 2.5 V6 1100 Euro preiswerter. Aber wer einen Rover will, wirft selten ein Auge auf BMW – und umgekehrt. BMW-Fahrer vermissen den Heckantrieb, Rover-Piloten schätzen dafür das entspannte Gleiten im unaufgeregten 75.

Gleichstand herrscht im Innenraum: Gemütlich ist es bei beiden, der Rover bemüht sich allerdings um zahlreiche hölzerne Klassik-Zitate. Was beide vereint, ist die erste Wahl im Motorraum: der Diesel-Direkteinspritzer mit zwei Liter Hubraum. Der bayrische Brite teilt mit dem BMW auch den Diesel. Sein Vierzylinder stammt aus dem BMW-Motorenwerk in Steyr (Österreich) und leistet im Rover 116 PS.

Welcher Motor auch immer unter der Haube arbeitet, Probleme mit der Elektrik bereitet der 75 fast immer. Ausgesaugte Batterien durch Kriechstrom, störrische Navigationssysteme, unpräzise Tankanzeigen – der 75 ist unberechenbarer als Prinz Harry in Partylaune. Wenn ein 75-Interessent keine geschickten Hände hat, dann doch wenigstens finanzielle Reserven. Wer dann noch eine gewisse Neigung zu britischen Automobilen mitbringt, sollte der Liebe auf den ersten Blick vertrauen – und zuschlagen.

Historie, Schwächen, Kosten

Modellgeschichte 6/99 Einführung des Rover 75. Die Mittelklasse-Limousine wurde von Rover mit Hilfe von BMW konstruiert. Motor: 1.8 (120 PS), 2.0 V6 (150 PS), 2.5 V6 (177 PS), 2.0 CDT (Common-Rail-Diesel mit 116 PS) 4/01 Einführung des Rover 75 Tourer, eines Kombis auf 75-Basis

Schwachstellen • defekte Gelenkwellen machen in Kurven lautstark auf sich aufmerksam • fehlende Schmierung führt zu einem Klemmen der Fondtüren • Wassereinbruch in Koffer- oder Innenraum liegt meist an verstopften Ablaufleitungen • die Elektrik gilt als ausgesprochen launenhaft, oft kann nur ein versierter Mechaniker helfen • ärgerlich, wenn die Cockpitbeleuchtung ausfällt, denn hier hilft nur ein Austausch der kompletten Einheit • einseitig abgefahrene Hinterreifen sind meist ein Zeichen einer fehlerhaften Hinterachsbefestigung • Fehlmeldungen des Airbagsystems sind nicht selten und sollten stets unverzüglich der Werkstatt gemeldet werden • ebenso unzuverlässig arbeitet die Zentralverriegelung, Kenner prüfen stets, ob der Rover auch wirklich zugesperrt ist

Reparaturkosten Preise inklusive Lohn und Mehrwertsteuer am Beispiel Rover 75, 85 kW/116 PS, Baujahr 2001. Mit Geld allein geht es nicht, es kommt bei Rover-Ersatzteilen immer wieder zu langen Wartezeiten. Lästig: das großmaschige Händlernetz.

Fazit und Modellempfehlung

Fazit "Der Rover 75 ist und bleibt ein Exot, daran ändert selbst der BMW-Einfluss wenig. Doch trotz schlechter Verarbeitung, launenhafter Elektronik und zahlreicher anderer Eigenheiten kann man dem 75 nicht so recht böse sein. Vielmehr zählt er zu den letzten Charakterdarstellern und lockt gebraucht mit günstigen Preisen. Mein Tipp: Zuschlagen, wenn Sie ein wirklich seltenes Auto suchen und keine Angst vor Besuchen beim Mechaniker haben. Wer größten Wert auf Perfektion legt, wählt besser einen anderen Wagen." Nikolaus Eickmann, Kfz-Mechaniker und AUTO BILD-Redakteur

Modellempfehlung Rover 75 2.0 CDT (85 kW/116 PS)

Steuer/Schadstoffklasse: 276 Euro im Jahr/Euro 3 Testverbrauch: Werksangabe 5,6 Liter, gemessen 7,4 Liter (Diesel) Versicherung: Vollkasko (25/504 Euro SB): 1550 Euro. Teilkasko (34/151 Euro SB): 345 Euro. Haftpflicht (20): 1106 Euro (Basis: HUK-Jahrestarife für Regionalklasse Berlin, 100 Prozent) Inspektion/Kosten: 25.000 Kilometer, etwa 200 bis 350 Euro Wertverlust: Dreijährige verlieren rund 40 Prozent vom Neupreis (Händlerverkaufspreis), danach jährlich um 1700 Euro Verlust