Fahrtbericht Volvo S40 2.4 Momentum :
Die eigentümlichen Schrulligkeiten abgelegt

Von Michael Kirchberger
Lesezeit: 5 Min.
Der Volvo S40 2.4 Momentum mit guten Fahrleistungen
Die Kinder von Bullerbü warten nicht mit dicken roten Backen, Sommersprossen und blonden Locken im S40 auf den Skandophilen, Astrid Lindgren für Anfänger wird nicht gegeben, und - noch erschreckender - Pippi Langstrumpf ist erwachsen geworden.

Die Kinder von Bullerbü warten nicht mit dicken roten Backen, Sommersprossen und blonden Locken im S40 auf den Skandophilen, Astrid Lindgren für Anfänger wird nicht gegeben, und - noch erschreckender - Pippi Langstrumpf ist erwachsen geworden. Schluß mit der üppigen Drallheit, Volvo hat den neuen Mittelklassewagen stramm auf große Räder gestellt, ohne dabei manche Leichtigkeit nordischen Designs zu ignorieren. Für 25 930 Euro gibt es das kleinste Modell der zur Ford-Familie gehörenden Marke mit einem 103 kW (140 PS) starken Fünfzylinder-Benziner in der gehobenen Ausstattung Momentum. Er rollt jenseits der Ikea-Parkplätze und wird gewiß nicht in größerer Stückzahl zur Ferienzeit vor toskanischen Landhäusern warten. Der S40 ist schon formal ein sicherer Schritt in die Zukunft der Schweden-Marke.

Einen scharf gezeichneten, breiten Kühlergrill trägt der frontgetriebene Viertürer als Visitenkarte voran, es folgen breit ausladende Schürzen, man erkennt den Volvo im flüchtigen Augenblick des Vorbeifahrens. Die Haube öffnet, unterstützt von einem Gasdruckheber, und schließt mit ebenso fettem Klang wie die Türen. Die kleinen Servicearbeiten an der Technik gelingen mit Leichtigkeit, Ölstandskontrolle, Waschwasser nachfüllen und anderes fällt dank aufgeräumten Motorraum-Layouts leicht. Kaum weniger leicht und übersichtlich ist das Armaturenbrett. Gut ablesbare Rundinstrumente, tadellos positionierte Bedienungselemente und eine ausgewogene Mischung aus Funktion und Form rücken den S40 in die Premium-Klasse der Autowelt. Beispiel dafür ist die beinahe freischwebende Mittelkonsole, die sich (als hätten die mutigen Designer von Bang und Olufsen beratend zur Seite gestanden) leicht wie eine Blende zwischen Armaturenbrett und Getriebetunnel schwingt und alle Funktionen von Klimaanlage und dem serienmäßigen Audio-System aufnimmt. Dahinter wartet - etwas versteckt, aber gut erreichbar - eine rutschfeste Ablage auf die kleinen Reiseutensilien, die darin aus dem Blick-, aber nicht aus dem Griffbereich verschwinden. Weitere Aufbewahrungsorte gibt es zwischen den Sitzen und in Netzen in deren Rückenlehnen, das mag über die unpraktischen, weil viel zu kleinen Türtaschen hinwegtrösten. Auf der rechten Seite wölbt sich das mit griffsympathischem, weich-genarbtem Kunststoff bezogene Armaturenbrett dem Beifahrer entgegen, das integrierte Handschuhfach hat eine noch ausreichende Größe.

Beide Vordersitze haben eine Höhenverstellung und sind präzise und einfach zu justieren. Eine passende Position am lederbezogenen Multifunktionsvolant ist schnell gefunden, zumal es in Höhe und Tiefe verstellbar ist. Der Seitenhalt ist angenehm, die Sitzbezüge aus Mikrofaser sind zwar rutschfest und atmungsaktiv, ziehen jedoch jeden Fussel magisch an. Die wohlgeformten Kopfstützen haben an ihren Innenseiten kleine Knöpfe, die als Kleiderhaken dienen. Im Fond gibt es drei davon, die Enge auf der Rückbank macht die hinteren Plätze jedoch eher zum Aufenthaltsort für Kinder. Für Erwachsene ist die Beinfreiheit knapp bemessen, vielleicht ist der knappe Raum im Fond ja schick, mag man bei Volvo mit einem Blick auf den 3er BMW gedacht haben. Die Rückbank läßt sich zum Durchladen im Verhältnis ein zu zwei Drittel umklappen; um eine ebene Ladefläche herzustellen, müssen auch die Sitzflächen hochgeklappt und die Kopfstützen abgenommen werden, eine etwas umständliche Prozedur. Der Kofferraum, dessen Deckel sich wie die Tankklappe elektrisch vom Cockpit aus entriegeln läßt, faßt 404 Liter, ist fein verkleidet und bietet eine 12-Volt-Steckdose (Aufpreis 50 Euro), aber keine seitlichen Ablagefächer. Die gibt es als Extra für 130 Euro in Form eines Befestigungssystems für Taschen und Tüten. Der Stauraum genügt einem Paar mit Kind, die Zulademöglichkeit von 470 Kilogramm geht angesichts des Ladevolumens in Ordnung.

Mit der 2,4 Liter großen Fünfzylindermaschine ist der S40 zügig unterwegs. Kräftig packen 220 Newtonmeter Drehmoment zu, schon unter 2000 Umdrehungen je Minute genügt der Tritt aufs leichtgängige Gaspedal, um mit Vergnügen zu beschleunigen. Richtig munter wird das mit vier Ventilen je Zylinder arbeitende Leichtmetall-Triebwerk freilich erst bei 2200/min. Mit kraftvollem Klang, der sich aus einem kehligen Ansauggeräusch und verhaltenem Auspuffschnurren zusammensetzt, gelingt der Sprint von 0 auf 100 km/h in 9,9 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 208 km/h, geringfügig mehr, als der Hersteller verspricht. Lärmig wird es im Innenraum nie, selbst bei hoher Drehzahl ist der Pegel angenehm niedrig und keinesfalls kommunikationsbehindernd. Beim Treibstoffkonsum gibt sich der Motor weniger zurückhaltend. Unter 7,8 Liter Superbenzin für 100 Kilometer war er nicht zu bringen, dafür kletterte der Verbrauch bei einer Expreßfahrt auf 11,1 Liter. Im Durchschnitt ergab sich ein Verbrauchswert von 9,2 Liter auf 100 Kilometer, was alles andere als eine Meisterleistung ist. Die Größe des Tanks von 62 Liter ermöglicht noch gute Reichweiten. Mit präzisen und leichtgängigen Gangwechseln erfreut das Fünfganggetriebe des S40. Seine Kulisse ist feinstens definiert, der griffsympathische Hebel rückt beinahe vom bloßen Hinsehen in die gewünschte Position. Die Abstufungen der Gänge passen ebenfalls, und so trägt die Schaltbox in Verbindung mit der leichtgängigen und sauber greifenden Kupplung erheblich zur Agilität des Volvos bei. Auch die Bremsen arbeiten mit der Eleganz und kraftvollen Anmut eines Björn Borg, stets präsent und fein dosierbar sorgen sie für nachhaltige Verzögerung.

Das Fahrwerk des S40 gehört zur straffen Fraktion. Der Komfort ist eben noch ausreichend, der Wagen nimmt Unebenheiten ohne Rumpelgeräusche, aber er rüttelt und schüttelt seine Insassen bei schlechter Wegstrecke nach Rumpelstilzchen-Art. Dafür ist das Fahrverhalten ausgezeichnet. Fein definiert rollen die Räder ab und erlauben hohe Kurvengeschwindigkeiten. Sicheres Untersteuern mit abbremsender Wirkung in zu schnell angegangenen Biegungen wird im Grenzbereich vom sanft einsetzenden ESP unterstützt. In keiner Situation überrascht der Volvo mit unliebsamen Reaktionen auf den Lastwechsel, stets bleibt er spurtreu und läßt sich mit knappen Lenkbewegungen korrigieren. Die Lenkung selbst ist angenehm direkt, nur bei schneller Fahrt wirkt sie etwas zu leichtgängig, was für einen guten Geradeauslauf nachteilig ist. Besonders bei Seitenwind wird der S40 schnell nervös. In der Summe seiner Eigenschaften bleibt Volvos Jüngster jedoch agil und leicht zu fahren, ein hoher Spaßfaktor ist garantiert.

Die Verarbeitung ist bis in die Ecken und Kanten jenseits des direkten Blicks oder Zugriffs tadellos und macht einen zuverlässig soliden Eindruck. Sehr umfangreich ist die Liste der serienmäßigen Ausstattung. Das Momentum-Niveau bietet die üblichen Komforteinbauten wie Zentralverriegelung mit Fernbedienung, elektrisch öffnende Fenster und verstellbare Außenspiegel sowie eine Klimaautomatik. Außerdem gibt es hier für den Beifahrer eine Sitzhöhenverstellung, seine Rückenlehne kann zudem für den Transport sperriger Güter nach vorn geklappt werden, an Bord finden sich Nebelscheinwerfer, eine Geschwindigkeitsregelanlage und ein Regensensor, außerdem steht der S40 in dieser Version auf Leichtmetallrädern im 16-Zoll-Format. Aufpreis kosten die fünfstufige Automatik (1700 Euro), Bi-Xenon-Scheinwerfer (890 Euro) und das Navigationssystem (1920 Euro). Volvo bietet viel fürs Geld und kann mit dem neuen S40 den Platz unter den Premium-Herstellern festigen.

Nächste Woche: Suzuki Liana; weitere Artikel unter www.faz.net/Fahrtberichte

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